Der Kampf ist noch nicht zu Ende

Exklusivinterview  mit Rainer Einenkel, Betriebsratsvorsitzender Werke Bochum der Adam Opel AG

Rainer Einenkel (Foto: Opel)

Über zehn Jahre Kampf gegen die Schließung des Bochumer Opel-Werkes. Ende dieses Jahres ist es soweit. Dann stellt Opel seine Automobilherstellung hier ein.


Doch der Kampf der Bochumer Kollegen geht weiter, im Interesse der anderen Opel-Standorte, der Mitarbeiter in der Transfergesellschaft, eines Lebens nach Opel, wie Rainer Einenkel (60), Betriebsratsvorsitzender Werke Bochum und Aufsichtsratsmitglied der Adam Opel AG, im Gespräch mit „getfax“ erklärt.

 

"Im Aufsichtsrat mit Nein stimmen und dann schweigen?

Dann wäre man ...

Kompromiss? Welcher Kompromiss?

Zustimmung verweigert

Detroit bleibt hart

Keine weitere Abstimmung

Arbeitslosigkeit droht 2500 Opelanern

Aufsichtsrat nicht korrekt informiert

Mitbestimmung keine verschiebbare Verhandlungsmasse

getfax: Herr Einenkel, die Automobilherstellung in Bochum ist Geschichte. Wie kam der Kompromiss dafür zustande?


Rainer Einenkel: Ein Kompromiss? Das sehe ich nicht so.


getfax: Es wird doch irgendein Angebot der Arbeitgeberseite gegeben haben, dem Sie als Betriebsrat dann letztlich zugestimmt haben, oder?


Rainer Einenkel: Es gab zunächst einen Sanierungsplan des Managements. Dem hatten die Bochumer Opelaner ihre Zustimmung verweigert. Dazu gehörte ein mit der IG Metall ausgehandelter Tarifvertrag. Als einzige Belegschaft in Deutschland hatten wir in Bochum mit 76 Prozent der Belegschaft dagegen gestimmt.

 

Der Sanierungsplan sah vor, dass Opel zum Jahresende unwiderruflich die Autoproduktion im Ruhrgebiet beendet. Im Gegenzug für Zugeständnisse der Beschäftigten hatte Opel in einem Tarifvertrag angeboten, die Fahrzeugfertigung erst Ende 2016 zu schließen. Alle anderen Werke bekamen langfristige Produktionszusagen.

 

Gleichzeitig sollte das Management jederzeit aus den Zusagen für Bochum aussteigen können. Dies lehnten wir als Betriebsrat und Belegschaft ab. Wir hatten gehofft, so faire Verhandlungen und einen Verzicht auf die Schließung zu erreichen. Die Konzernspitze in Detroit ließ sich jedoch nicht erweichen. Sie sieht nach wie vor in der Schließung der traditionsreichen Bochumer Fabrik neben zahlreichen neuen Automodellen einen wichtigen Bestandteil in ihrer Strategie, um das defizitäre Europageschäft bis Mitte des Jahrzehnts in die Gewinnzone zu bringen.

 

Nach neuen Verhandlungen gibt es seit Juni einen neuen Tarifvertrag, der verbindliche Austrittskonditionen und als Ersatz für die Werksschließung die Schaffung von Ersatzarbeitsplätzen festlegt. Aber das wurde gar nicht mehr zur Abstimmung gestellt.

 

getfax: Und was sieht das vor?

 

Rainer Einenkel: Es sieht vor, dass zum Jahresbeginn 2015 die Autoproduktion schließt und die Belegschaft in eine Transfergesellschaft übergeht. Sie soll die Beschäftigten für den Arbeitsmarkt weiterqualifizieren.
Von ursprünglich 3200 Beschäftigten zum Jahresbeginn haben mittlerweile rund 300 einen neuen Job in anderen Opel-Werken und außerhalb von Opel gefunden. Weitere 265 werden noch in das Warenverteilzentrum hier in Bochum wechseln, das vom Opel-Partner Neovia betrieben wird. Über 2.500 Opelanern droht die Arbeitslosigkeit.

 

552 Millionen Euro stellt der Konzern unter anderem für Abfindungen und die Einrichtung von Transfergesellschaften bereit. In der Transfergesellschaft, die je nach Alter ein bis zwei Jahre, im Einzelfall sogar drei Jahre genutzt werden kann, wird im ersten Jahr 80 Prozent, im zweiten 75 und im dritten 70 Prozent des letzten Nettoverdienstes als Bruttozahlung gezahlt.
Dem ganzen liegt ein Sozialtarifvertrag zugrunde. Wir als Betriebsrat waren nicht als solcher an den Tarifverhandlungen, sondern nur auf dem Umweg als Mitglieder der IG Metall beteiligt.

 

getfax: Sie als Betriebsrat führen den Streit um die Stilllegung des Bochumer Werkes nun vor Gericht fort. Was wollen Sie damit erreichen?

 

Rainer Einenkel: Übrigens, die Klage wurde bereits im Sommer 2013 eingereicht. Wir werden mit der Einschaltung des Gerichts nicht mehr erreichen können, dass die Entscheidung zur Schließung des Werkes in Bochum zurückgenommen wird. Wie sollte das auch funktionieren?
Nein. – Es geht bei der Auseinandersetzung vor Gericht zunächst darum, dass der gesamte Aufsichtsrat nicht korrekt vom Management über die Pläne informiert wurde, die Produktion des Familienwagens „Zafira“ Ende 2014 von Bochum ins Stammwerk nach Rüsselsheim zu verlagern.
Die vorgelegten Werks- und Kostenvergleiche wurden nachweisbar zum Nachteil des Werkes Bochum manipuliert.

 

Zum Zweiten geht es um die Zusammensetzung des Aufsichtsrates. Sie ist unserer Ansicht nach nicht rechtmäßig zustande gekommen. Wir wollen vom Gericht konkret feststellen lassen, ob die Vertreter von General Motors im Opel-Aufsichtsrat ordnungsgemäß bestellt waren, als sie im April 2013 das Ende der Fabrik im Ruhrgebiet einleiteten.

 

Sinn und Zweck des Rechtsstreites gehen aber über diese konkreten Zielsetzungen hinaus. Wir wollen auch im Interesse unserer Kolleginnen und Kollegen an den anderen Standorten gerichtlich festgestellt wissen, dass man Arbeitnehmerrechte nicht mit Füßen treten kann. Dies könnte wichtig werden, sollten weitere Standorte von einer Schließung bedroht werden.

 

Es soll festgestellt werden, dass Zusagen auch eingehalten werden und alles Menschenmögliche zur Wahrung von Arbeitsplätzen getan wird. Es kann nicht sein, dass europäische Mitbestimmungsstandards nach dem Willen der US-Mutter als beliebig verschiebbare Verhandlungsmasse behandelt werden.
Die Arbeitnehmer im Aufsichtsrat haben geschlossen gegen die Schließung von Bochum gestimmt. Im Aufsichtsrat mit Nein stimmen und dann schweigen? Dann wäre man ein zahnloser Tiger.


getfax: Wie war die Solidarität in anderen Opel-Werken, als die Schließung Ihres Werkes hier in Bochum publik wurde?

 

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